Die Konkurspolitik des Regimes kann die geopolitische Position des Iran nicht verteidigen!*
Aus geopolitischer Sicht hat das iranische Hochland seit der Antike bis heute als Bindeglied zwischen Asien, Europa und Afrika aber auch als Handelsstätte zwischen den Zivilisationen eine exklusive Stellung. Geographisch gesehen, beinhaltet dieses Hochland den Iran und Teile von Afghanistan und Pakistan bis Armenien, Republik Aserbaidschan, Turkmenistan, Tadschikistan, Türkei und Irak.
Tudeh Info October 2023 Nr. 144
Aufgrund der veränderten Weltlage und neu gesetzter Prioritäten, sind zu den bestehenden geopolitischen Positionen sogar noch neue Elemente dazu gekommen. Aber die Bürger dieser Länder haben in der gegenwärtigen Geschichte nicht nur nicht von den nationalen Kapazitäten zur Entwicklung ihrer Gesellschaft profitieren können, sondern es haben die lokal korrupten und diktatorischen Regierungen Hand im Hand mit der imperialistischen Staaten zu Spannungen und Konflikten über die Kontrolle der natürlichen Ressourcen in dieser Region beigetragen.
Gegenwärtig und seit der Ära Khomeinis hat auch die Islamische Republik Iran ihre Politik und ihre Einflusssphären auf der Basis des Exports der islamischen Revolution und des Islamismus in der Region errichtet, die ausschließlich zur „Aufrechterhaltung des Regimes“ dienen. Diese Politik ist in der Tat instabil, kostspielig für nationale Interessen und wirkt destabilisierend. Im heutigen Iran ist der Handels- und Finanzkapitalismus in Verbindung mit dem bürokratischen Kapitalismus der stärkste und reichste Teil der iranischen Bourgeoisie.
Die Außenpolitik der Islamischen Republik besitzt im Allgemeinen keine fortschrittliche Substanz und verteidigt nicht die nationalen Souveränität, ja sie ist in keiner Weise im Sinne der antiimperialistischen Bewegungen gewesen und sie wird es auch nicht sein.
Die Gründe dafür sind die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Regierung, basierend auf einem „politischen Islam“, dessen Klassenzugehörigkeiten bis zu den gewalttätigsten und parasitärsten Schichten der Kapitalisten reichen, welche keine nennenswerte Schwierigkeiten mit der Politik der Imperialisten haben. Die Islamische Regierung hat bis jetzt gegenüber den Imperialisten eine Beschwichtigungspolitik betrieben und wird dies auch in Zukunft tun.
Die globalen und regionalen Entwicklungen und Veränderungen in den letzten Jahrzehnten haben die geopolitische Position des Iran entscheidend beeinflusst. Einige dieser Änderungen sind wie folgt:
1- Die Entstehung und die tief zerstörerische Wirkung der Herrschaft des „politischen Islam“ auf das Volk und die Unterdrückung der fortschrittlichen linken und nationalen Kräfte im Iran, Afghanistan, Libanon, Jemen und Irak. Diese Auswirkungen werden noch lange Bestand haben.
2- Die Gründung neuer Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion und die Entstehung neuer Ansprüche und Grenzstreitigkeiten.
3- Das Wirtschaftswachstum der Türkei, ihre politisch-nationalistische Ausrichtung mit einer Kombination aus Panturkismus und Islamismus sowie ihre Beziehung zur Republik Aserbaidschan.
4- Die sehr destruktive, spannungserzeugende und kriegerische Rolle Israels in der Region mit Unterstützung der USA.
5- Ordnungswechsel der Großmächte nach dem Zerfall der Sowjetunion und ihre Konkurrenz in der Region, insbesondere im Persischen Golf.
6- Stärkung der politischen und militärischen Macht der Scheichtümer am Persischen Golf und Anhäufung enormen Reichtums in diesen Ländern.
Der Versuch der Türkei und der Republik Aserbaidschan für die Öffnung des Verbindungskorridors über Armenien und Nachitschewan durch Umgehung des Iran und der Sperre des einzigen direkten Weges von Iran nach Europa einerseits aber auch die Einmischung der imperialistischen Kräfte am Persischen Golf und im Golf von Oman und den Nachbarländern des Iran in Bezug auf die zum Iran gehörenden Inseln im Persischen Golf andererseits, sind weitere geopolitische Schäden, die möglicherweise nach dem islamischen Regime auch bestehen bleiben.
Die Region am Persischen Golf ist von enormer geopolitischer Bedeutung. Ein Großteil der weltweiten Energieträger wird aus dieser Region geliefert. Die arabischen Scheichtümer haben sich zu den größten Handelszonen der Welt entwickelt. Eine riesige Menge an Petrodollars ist in dieser Region angehäuft.
Amerikas Energiekrieg mit China und sogar mit Europa hat die globale geopolitische Bedeutung dieser Region mehr denn je erhöht. Auch die Wirtschaft Chinas und einiger anderer Schwellenländer ist weitgehend von der in dieser Region verfügbaren Energie abhängig. Daher wollen diese Länder im Persischen Golf Fuß fassen.
Die Wahrheit ist aber, dass die bankrotte und abenteuerliche Außenpolitik des Islamischen Regimes nicht nur nicht in der Lage ist, die nationalen Interessen des Landes zu schützen, sondern sie kann zusammen mit den gefährlichen Gesten und Slogans der iranischen Revolutionswächter-Kommandeure zu einem zerstörerischen Krieg gegen die imperialistische Bedrohung führen.
Im östlichen Nachbarland des Iran wurde vor vierzig Jahren die menschenfeindliche Gruppe der Taliban mit Hilfe und Geld Saudi-Arabiens und militärischer Ausbildung der USA gegründet. Diese Gruppe gehört zu den gefährlichsten und reaktionärsten Verbrecherbanden, die damals seitens der US-Regierung für die Vernichtung der Fortschrittskräfte in Afghanistan aufgebaut und in einem sensiblen Gebiet in Zentralasien eingesetzt worden waren. Die Islamische Republik Iran hat auch- aufgrund ihrer Feindschaft zu den linken und fortschrittlichen Kräften- große Hilfe zu der Verwirklichung der Ziele Amerikas geleistet, um in Afghanistan einen politischen Islam extrem regressiver Art zu etablieren. Doch nun deuten die verfügbaren Beweise darauf hin, dass die Anwesenheit dieser reaktionären Kraft in der Nachbarschaft des Iran für den zukünftigen demokratischen Iran sehr gefährlich und problematisch sein wird.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion nahmen die Spannungen zwischen den neu gegründeten Ländern angesichts der Wasser- und Landesgrenzen zu, die sich auch auf den Iran auswirkten. Abgesehen von den geographischen und grenzübergreifenden Aufteilungen des Kaspischen Meeres- Oberfläche und Untergrund-, welchen der Iran noch nicht zugestimmt hat (dieser Konflikt wird noch bestehen bleiben), hat sich der Streit mit der Republik Aserbaidschan verschärft. Diese Konflikte bringen sensible geopolitische Aspekte mit sich. In den letzten Jahren gab es mehrere Kriege um den Grenzstreit zwischen den neu gegründeten Republiken Aserbaidschan und Armenien. Nach dem Teilsieg Aserbaidschans über Armenien mit Unterstützung der Türkei und Israels Waffen im jüngsten Krieg zwischen den beiden Ländern, wollen die Regierungen Aserbaidschans und der Türkei nun Früchte aus diesem Sieg ziehen. Die Republik Aserbaidschan hat Armenien unter Druck gesetzt, der Republik Aserbaidschan den Bau des Sangesur-Korridors in der armenischen Provinz Sjunik für die direkte Verbindung mit Nachitschewan zu gestatten.
Im Falle des Baus dieses Korridors, den Aserbaidschan beansprucht und direkt verwalten will, werden zwei wichtige geopolitische Veränderungen zu Lasten des Iran und zugunsten der Türkei und Aserbaidschans eintreten:
- A) Die Bedeutung der Ost-Aserbaidschan-Transitroute im Iran, die die Türkei mit Baku verbindet, wird abnehmen und
- B) Iran wird seine Drehscheibenposition zwischen den drei Kontinenten Asien, Europa und Afrika weitgehend verlieren und ein großer Teil dieser Position wird Aserbaidschan übertragen.
In diesem Fall bestand auch die Außenpolitik der Islamischen Republik Iran nur aus leeren, aber gefährlichen Tiraden und stand in keiner Weise im Dienste der nationalen Souveränität des Landes.
Tatsache ist, dass die auf dem „politischen Islam“ basierende Regierung nicht in der Lage ist und nicht in der Lage sein wird, Schritte zur Wahrung nationaler Interessen und zur Stärkung der geopolitischen Position Irans zu unternehmen.
[* Dieser Artikel wurde vor Beginn des jüngsten militärischen Konflikts in Bergkarabach verfasst und bezieht sich daher nicht direkt auf die aktuelle Situation.]
Gekürzt und übersetzt ins Deutsche aus „Nameh Mardom“ dem Zentralorgan der Tudeh Partei Iran, Nr. 1191 vom 25.09.2023, www.tudehpartyiran.org)